Konzertberichte

Schockrock in Stuttgart: Die Faszination von Alice Coopers Live-Show

„Too Close To Comfort“ hat wohl kaum jemand erwartet, der am 03.10.2024 den Urvater des Schockrocks in Stuttgart erleben wollte. Denn die spektakulären Konzerte von Alice Cooper beabsichtigen sehr wohl ein schauriges Gefühl zu versprühen – Guillotine-Action eingehüllt in kraftvollen Hardrock. Seit sechs Dekaden steht der 76-Jährige nun auf der Bühne und gilt schon lange als Ikone des Genres. Dies stellt der US-Amerikaner auch in der Porsche-Arena einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis.

Ein Rockereignis der Extraklasse zusammen mit etlichen Baustellen und einem riesigen Volksfest auf dem Cannstatter Wasen erinnern im Stuttgarter Verkehr stets an den Titel der Tour: Too Close To Comfort. Komfortabler geht es schließlich in der Porsche-Arena zu. Obwohl die Halle gefühlt ausverkauft erscheint, findet jeder sein Plätzchen und freut sich an dem, was da noch kommen mag. Schließlich begleitet Doro als Special Guest den Schockrocker auf seiner Europareise. „I Rule The Ruins“ erklingt, als unter lautem Jubel die Queen of Metal freudestrahlend auf die Bühne stürmt. Doro outet sich von Anfang an als Alice Cooper Fan. Sie schwärmt geradezu von ihrem Vorbild mit seiner hochklassig besetzten Band. Gerade kommt die 60-jährige Düsseldorferin mit ihnen aus Paris und freut sich, noch weiter die Tour begleiten zu dürfen. Diese positive Energie überträgt sich und zünden in Songs wie „Time For Justice“. Doch auf der kurzen Setlist steht überwiegend Oldschool-Metal aus der Warlock-Ära: „Burning The Witches“, „Hellbound“ und das emotionale „Für Immer“ bringen die Fans in Bewegung. Während im Hintergrund Johnny Dee auf seine Drums einhämmert, flankieren die Gitarristen Bas Maas und Bill Hudson die umherwirbelnde Sängerin. Stefan Herkenhoff am Bass zeigt sich zeitweise am vorderen Bühnenrand, bleibt meist jedoch dezent im Hintergrund. Mit „Fire In The Sky“ – einer Co-Produktion von Bill und Doro – sowie „Children Of The Dawn“ spielt die Band zwei Songs des aktuellen Albums „Conqueress – Forever Strong And Proud“. Nach 45 Minuten bedankt sich Doro erneut bei Alice Cooper und leitet den letzten Song ein. „All We Are“ hallt lautstark durch die Porsche-Arena, und mit ihrem vom Band eingespielten Judas Priest Cover „Living After Midnight“ verabschiedet sich die Queen of Metal, um nach dem Schlussfoto die Bühne für den Headliner freizumachen.

Dann heißt es „Welcome To The Show“ und die hat es in sich. Auf dem riesigen Vorhang ragt das Titelblatt einer Zeitung, auf der in großen Lettern „Banned in Germany – Alice Cooper“ steht. Die Silhouette markiert den Star des Abends, der schließlich mit einem Säbel bewaffnet die Zeitung von hinten durchschneidet und sich der jubelnden Menge zeigt. Ja, „No More Mr. Nice Guy“, so kennen und lieben ihn die Fans. Zwischen den aufwendig gebauten Emporen, in Form von alten Balkonen, an den Bühnenrändern präsentiert die Band ein mitreisendes Hit-Potpourri. „Bed Of Nails“, „Snakebite“ und „Hey Stoopid“ befeuern die Stimmung in der Halle. Alice Cooper liefert kraftvoll puren Hardrock, der seit Jahrzehnten Bestand hat und der sowohl in den legendären Klassikern als auch in seinen neuen Liedern funktioniert. Dabei steht ihm eine Allstar-Band zur Seite: Ryan Roxie und Tommy Henrikson an den Gitarren, Chuck Garric am Bass, Glen Sobel am Schlagzeug und die virtuose Nita Strauss an der Leadgitarre. Mit gleich drei Gitarren entfaltet die Band eine gewaltige Soundwand, die ordentlich Druck macht. Doch das volle Potenzial zeigt sich, weil jeder der Musiker ein wahrer Meister seines Instruments ist. Zusätzlich schaffen sie mit ihren Background-Vocals so einen kraftvollen, harmonischen Soundteppich. Das Ensemble arbeitet präzise wie ein Uhrwerk – eine beeindruckende Teamleistung, bei der auch Alice Cooper nicht außen vor bleibt. In seiner extravaganten Garderobe dominiert der unangefochtene Meister die Gruselshow, verschmilzt aber dabei mit seinen Musikern zu einer Einheit und wird zum Teil des Ganzen.

Immer wieder sorgt der Schockrocker für Überraschungen – sei es, wenn er mit einer Plüschschlange zu „Snakebite“ auftritt oder mit einer Krücke für den Klassiker „18“. Auf der Bühne quält er eine Puppe und verleiht Frankenstein einen grandiosen Auftritt. Während des ausgiebigen Drum-Solos zieht es den Sänger auf einen der seitlichen Balkone. Dort lässt er sich lässig nieder, einen Degen in der Hand, und lauscht der rhythmischen Ekstase, die sein Schlagzeuger entfesselt. Plötzlich dreht sich die erhöhte Plattform um 180 Grad und auf der Leinwand setzt ein virtueller Regen ein. Mit dem Säbel posiert er drohend über dem Publikum und setzt schließlich seine berüchtigte Guillotine ein, um die Porsche-Arena in eine Mischung aus Faszination und Schock zu versetzen. Ansagen zwischen den Songs gibt es keine, dafür nonstop Hardrock mit toller Bühnenshow. Alles wird meisterhaft inszeniert und wirkt dabei so leichtfüßig. Alice Cooper sprüht dazu nur so vor Energie und zieht sein Publikum in den düsteren Bann. Die Fans sind in Ekstase, tanzen und klatschen. Ein absolutes Highlight des Abends ist der legendäre Hit „Poison“. Es ist kaum zu übersehen, dass bis in die letzten Reihen alle textsicher mit einstimmen. Für ein fulminantes Finale sorgt schließlich „School’s Out“, das man kunstvoll im Konfettiregen mit einem Medley aus Pink Floyds „Another Brick in the Wall“ kombinierte.

Alice Cooper hat in Stuttgart einmal mehr bewiesen, warum er als Urvater des Schockrocks gilt. Mit einer großartigen Bühnenshow, die von kraftvollem Hardrock und schaurigen Einlagen geprägt ist, fesselte er mit seiner Allstar-Band die Fans in der Porsche-Arena und verwandelte das Konzert in ein unvergessliches Erlebnis.