Konzertberichte

Zusammen in Wiesbaden: Dritte Wahl feiern wilden Punkrock-Urlaub im Schlachthof

Wer an einem Samstagabend im November nach etwas Erholung suchte, für den war Wiesbaden am 16.11.2024 die erste Wahl. Zwar klingt Massendefekt und „Urlaub in der Bredouille“ auf den ersten Blick nach einem missglückten Trip, doch entpuppte sich die Reise am 16.11.2024 in das Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden als alles andere als genau das Gegenteil. Denn dort feierte Dritte Wahl im Rahmen ihrer großen Tour eine ausgelassene Punkrock-Party. Also durchaus einen erholsamen Kurzurlaub, wenn man ein Faible für schweißtreibenden Tanz, mitreißende Rockmusik sowie tiegreifende Inhalte mit und ohne Augenzwinkern steht.

Doch bevor die Rostocker Jungs loslegten, eröffneten erst einmal Massendefekt in der gut gefüllten Halle. Die Düsseldorfer Punkrocker ließen sich vom „Major Tom“-Einspieler ankündigen, und so treten die Vier „völlig losgelöst“ vor das mitsingende Publikum. Schon nach den ersten Tönen war klar: hier wird mit handgemachtem Punkrock ordentlich gefeiert. In der Mitte tobte eine Moshpit, der sich auch zu Pennywises „Bro Hym“ keinen Deut zurücknahm. Massendefekt hatte auch privat etwas zu feiern. Denn Drummer Alex hatte Geburtstag und wurde mit einem stimmgewaltigen „Happy Birthday“ besungen, welches in das Echt-Cover „Junimond“ mündete. Aber „das war’s dann auch mit der Romantik“, kündigte Sänger und Gitarrist Sebastian an. Bei treibenden Riffs und eingängigen Refrains wie bei „Disco“ ließen sich die Fans zu Circlepits, Sprungübungen und gemeinsamen Refrains animieren, und die Punkrock-Party begann, sich richtig aufzuwärmen.

Nach diesem energiegeladenen Einstieg starteten Dritte Wahl ihren wilden „Urlaub in der Bredouille“, und schon mit dem Opener „Wir schießen die Milliardäre ins All“ war die Menge im Schlachthof kaum noch zu bremsen. Sänger Gunnar kündigte einen bunten Mix aus alten sowie neuen Songs an – „eigentlich wie immer“, wie er meinte. Und die Fans? Die waren bester Partylaune und stimmten textsicher zu „Panama“ mit ein. „Zu wahr um schön zu sein“ kurbelte wieder den Moshpit an.

Doch Dritte Wahl sind nicht nur feierwütige Punkrocker, sondern auch sozialkritisch. Klare Statements gegen politisch-wirtschaftlich motivierte Machthaber wie bei „Keine Zeit für weiße Fahnen“ gehören genauso zur Rostocker Band wie jede Menge Selbstironie. Zwischen den ernsten Tönen erzählte Gunnar mit einem Augenzwinkern von der göttlichen Eingebung, die die Band im Proberaum durch einen Blitz von Zeus selbst bekommen hatte und die zum Lied „Zusammen“ führte – für den Frieden. Bassist Stefan wurde zum Animateur, ging in die Menge, tanzte im Bühnengraben einer Crowdsurferin, während der Rest den angepassten Refrain „Wenn wir in Wiesbaden sind, dann sind wir in Wiesbaden“ zelebrierte. Man scherzte über Christian Linder und fragte sich, was nun mit dem folgenden Lied passiert? „Das regelt der Markt“, lautete die Anspielung (s)eine profitorientierte Denkweise.

Aber wer regelt die Stimmung? Dritte Wahl und ihre Fans! Das Stimmungsbarometer stieg derweil weiter – zum „Licht empor“. Im Schlachthof war mächtig was los: es wurde unermüdlich getanzt, inbrünstig mitgesungen, man lag sich im Arm, trank zusammen ein Bier und feierte die Vier auf dem Podium. Geschichtenerzähler Gunnar überzeugte das Publikum nur die alten Lieder zu bejubeln und die neuen auszubuhen, so dass jetzt mächtig Jubel angesagt ist. Der Klassiker von 1996 „So wie ihr seid“ ließ bis zur letzten Reihe keinen mehr ruhig stehen. Zu „Urlaub in der Bredouille“ flogen Wasserbälle durch die Halle, die im Dunst von Schweiß und Bier für einen Hauch Urlaubsfeeling sorgten.

Wahrscheinlich von den meisten ungesehen gab es dann vor der Bühne einen emotionalen Moment. Als „Was weiß ich schon von der Liebe“ lief bewies einer der Security, dass er viel davon verstand und verschenkte ein bunten Wasserball an einen kleinen Jungen, der daraufhin strahlenden Augen bekam. Derweil erdeten seine Kollegen die vielen Crowdsufer, bevor nach „Zeit bleib stehen“ die Band vorerst die Bühne verließ. Zur Zugabe gab es dann die volle Punkrock-Power: „Greif ein“, der laut Gunnar wahrscheinlich älteste Song „Tobias“ und „Wo ist mein Preis?“ sorgten für die perfekte Finale. Der krönende Abschluss folgte mit „Fliegen“ in einer Extended-Version, bei der die Menge und die Band gemeinsam in die Nacht flogen.

Am Ende des Abends war allen klar: Dritte Wahl haben im Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden einen leidenschaftlichen Punkrock-Urlaub gefeiert, der in die Herzen der Fans ging. Ein Konzert, das sowohl Spaß als auch nachdenkliche Momente bot, genau die perfekte Mischung für einen wilden Trip, bei dem die Zeit wie im Flug verging.