Konzertberichte

Amorphis und Soilwork mischen den Schlachthof Wiesbaden auf

Was für ein Konzertkracher zum Ende des Januars. Amorphis , Soilwork , Jinjer und Nailed to Obscurity – bei dieser Kracher-Kombi ist es wenig verwunderlich, dass der Schlachthof Wiesbaden am 13.02.2019 bis in die hinteren Reihen mit feierwütigen Fans der härteren Gangart gefüllt ist.

In blaues Licht getaucht erspielt sich Nailed to Obscurity mit dem ungewöhnlichen und doch genrekonformen Namen ein paar neue Fans in der gut bestückten Halle in Wiesbadens Kultvenue Schlachthof. Das Quintett aus Ostfriesland weiß mit melodischen Gesangslinien und ihrem Death and Doom Metal zu überzeugen.

Jinjer setzen da aber noch einen drauf. Sichtlich auf Krawall gebürstet erscheinen die vier Musiker so schnell und überraschend auf der Bühne wie deren Musik. Sängerin Tatjana, die Growl und Gesang wunderbar in den vertrackten Rhythmen ihrer Bandkollegen zu platzieren weiß, fegt wie ein Derwisch über die Bühne. Obwohl das Genre stetig neue Nachwuchskünstler hervorbringt, haben Jinjer durchaus das Zeug dazu, sich aus der Masse hervorzuheben. Dem vorherrschenden Metal- und Deathcoresound fügen die Ukrainer gekonnt Groove- und Progressive Metal-Elemente hinzu, brechen mit abgelutschten Songmustern, vereinen eingängige Refrains a la Skunk Anansie mit brachialen Rifforkanen und vertrackten Taktmustern, sodass schließlich eine eigenwillige Mischung entsteht, die auch dem Wiesbadener Publikum gefällt. Nicht zuletzt kann man sich der Bühnenpräsenz der Gruppe schwer entziehen. Neben der extrovertierten Frontfrau fällt da zum Beispiel Schlagzeuger Vlad auf, der, erstaunlich unaufgeregt, hinter einem Rockstar untypischen Drumset mehr mit Becken als mit Trommeln arbeitet, und die Struktur der breaklastig-düsteren Soundlandschaft Jinjers aufrechterhält.

Es folgen Soilwork, die man im Vergleich zum jungen Gemüse vorher fast schon als alte Hasen des skandinavischen Melodic Deathmetal bezeichnen könnte. Sie haben das Genre mitgeprägt, haben zwar schon Musiker an andere Bands wie Megadeth verloren, sind aber dennoch stets produktiv geblieben und so hat die Band gerade ihr siebtes Album veröffentlicht. Die Schweden sind gern gesehene Gäste im Wiesbadener Schlachthof und kaum ist das Intro verklungen, empfängt die Band mit ihrem opulenten Sound und dem hymnischen “Arrival” ihre Fans, von denen – dem Applaus nach zu urteilen – viele im Saal sein sollten. Mit viel Druck und eingängigen Refrains muss das Publikum kaum überzeugt werden. Mit dem Besten aus fast 25 Jahren Diskographie und der Aufforderung “to make some noise” lässtSoilwork die Menge im blutroten Stroboskop hüpfen und bangen. Sechs Mann erzeugen ein Klangteppich, der melodisch-sphärisch bis hin zu kompromisslosem Metal alles abdeckt, und sorgen für ein tightes und abwechslungsreiches, fast neunzigminütiges Set, ohne an gegen Ende Härte zu verlieren. Amon Amarthiges Fäuste-in-die-Luft ist genauso vertreten wie Death Metal Geknüppel. So verwundert es kaum, dass sie Fans aus verschiedenen Generationen problemlos vereinen. Zum Ende laden sie einen Fan, der dem Sänger Björn „Speed“ Strid beängstigend ähnlich sieht, mit seiner Freundin auf die Bühne ein, wo er sie mit einem Heiratsantrag überrascht. Bevor wir uns das Pipi aus den Augen wischen können, setzen Soilwork dann zum finalen Handkantenschlag in den Nacken an, der uns etwas erleichtert, dass kein Hochzeitsmarsch gespielt wurde und mit Vorfreude auf den letzten Headliner zurücklässt.

Mit einem komplett im Albumdesign von “Queen of Time” gestalteten Bühnenbild beschließen Amorphis als Headliner und Dienstälteste Band den Abend. Mit poppigen Keyboardklängen zu “The Bee” beginnen die Bandmitglieder die Bühne einzunehmen und mit einem Growl des Sängers und unter Applaus beginnen die Nordlichter aus Helsinki ihre eigenwillige Metal-Show, eine eingängige Mischung aus Melodic-Death und Progressive Metal, die durch Einsprengsel finnischer und arabischer Klänge weit über die Grenzen der Metallergemeinde Anklang finden dürfte. Dennoch dürfte besagte Gemeinde trotz des Keyboard dominierten Sounds und den eingängigen Hooks das Hauptklientel ausmachen, denn eben diese feiern die Finnen von Anfang an frenetisch. “Sky Is Mine” kommt als drittes Lied des Sets. Das klingt bisweilen so, als würde HIM sich endlich mal an anständiger Rockmusik versuchen, allerdings spielen auch harte brachial Gesänge vor allem in den alten Songs eine wichtige Rolle im Sound der Band. Dies hat durchaus auch Stadionatmosphäre. Songs wie “Hopeless Days” oder “Bad Blood” ziehen den Zuhörer wie ein Sog in das Riff hinein. Der Fokus liegt mehr auf dem aktuelleren Material. Doch mit “Black Winter Days” aus den 90gern zeigt sich Amorphis noch von ihrer älteren, kompromissloseren Seite. Als Zugabe donnert die Band “Death Of A King” und “House Of Sleep” in die tobende Menge hinab. Amorphis begeistern rou­ti­niert ihre Fans und beweisen, dass sie auch live über jeden Zweifel erhaben zu den Institutionen ihres Genres gehören.